Die Rose vom Ihinger Hof

Zur Rose auf dem Friedhof des Ihinger Hofes

Die Gräber und Grabsteine der von Vischer auf dem Ihinger Hof waren bis 1970 total von Efeu überwachsen. Auf Anregung des Landesdenkmalamts wurde das Efeu soweit zurückge­schnitten bzw. entfernt, dass die Grabsteine wieder frei und die Beschriftungen zu lesen wa­ren. Im Jahr 1990 fand ein Besucher unter dem Efeu einige kleine Rosentriebe, die bis dahin immer unbeachtet blieben. Er empfahl, das Efeu etwas zurückzuschneiden, um im Folgejahr vielleicht doch die Rosen zum besseren Austrieb anzuregen und später zum Blühen zu brin­gen. Der Gast berichtete von der Gepflogenheit , die Rosen als Symbol der Liebe und des Lebens in das Werden und Vergehen der Menschen mit einzubeziehen. Wo es möglich war, sollte dies eine spezielle, der Familie zugeordnete Rose sein. Besonders bei weiblichen Mit­gliedern schmückte sie das Taufkleid, später die Braut und schließlich fand ein Stock der Rose Platz auf dem Grab der Frau. Neben der Frage, ob auf dem Grab überhaupt wieder Ro­sen sprießen würden, könnten Rückschlüsse darauf gezogen werden, wo die Rosen her­stammten: Sprossten auf den beiden Frauengräbern Rosen derselben Farbe, Düfte, Aussehen, so könne davon ausgegangen werden, dass die Rosen bereits auf dem Hof waren, als die Frauen bestattet wurden. Unterschiedliche Rosen deuteten darauf hin, dass die Rosen von den Frauen mitgebracht wurden.

Tatsächlich trieben im Folgejahr auf dem ersten Grab zwischen dem Efeu zunächst sogenann­te alte "Poeten-Narzissen", die ebenfalls Jahre vorher dort nie gesichtet wurden und Rosen. Durch weiteres Freischneiden und Pflegen entwickelten sich kräftige Triebe. An diesen jähri­gen Trieben setzten Knospen an, die dann im nächsten Jahr blühten. Es gibt allerdings an den Trieben nur eine einmalige Blüte Ende Mai/Anfang Juni. Die nahezu rein weißen, gefüll­ten Blüten verbreiten einen dezenten, zauberhaften Duft. Da auf dem zweiten Grab identische Rosen blühen, ist davon auszugehen, dass die Rosen bereits auf dem Hof waren, als die Frauen bestattet wurden.

Vom Europa-Rosarium in Sangershausen ließen wir eine Expertise erstellen, nachdem wir dort ähnliche Rosen fanden:

"Bestimmungen von Dr. Kurt Wein zufolge handelt es sich um

            R. gallicia x r. corymbifera var. Iloydii

Dieser Naturbastard wird den Albarosen zugeordnet. Diese sind schon im Mittelalter von Mönchen nach Mitteleuropa gebracht worden. Albarosen wurden besonders in Kloster- und Burggärten angebaut, auch auf alten Friedhöfen findet man öfters solche Rosen. Albaraosen sind häufig sogar an einem Strauch in Füllung und Blüten unterschiedlich. Auch ist die Farbe im Aufblühen oft zartrosa und die vollerblühter Rosen dann reinweiß. Es ist also durchaus möglich, dass diese Rosen schon fast 2 Jahrhunderte auf dem Friedhof wachsen."

Vor einigen Jahren bestätigten dann Angehörige der Familie Bayha, dass ihrer Erinnerung nach auf den beiden Gräbern bis ca. 1920 die Rosen erblühten, dann aber nicht mehr zu sehen gewesen seien, wahrscheinlich, weil sie vom Efeu völlig unterdrückt wurden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Rosen vermutlich 1820/1822 auf die Gräber der Frauen gepflanzt wurden, dort bis ca. 1920 mehr oder weniger regelmäßig blühten. Nach ei­ner "Dunkelpause" bis 1990 erfreuten sie dann wieder die Besucher des Friedhofs.

Gerhard Renz 26.09.2009